Finale-BlogKurztipps

Partitur und Stimmenauszüge trennen?

Der vordergründige Nutzen der verknüpften Auszüge liegt darin, daß sich Änderungen in der Partitur automatisch in den Auszügen spiegeln und man spätere Korrekturen auch nach dem Erstellen von Stimmenauszügen nur einmal und nicht zweimal vornehmen muß.

Partitur und Stimmenauszüge werden seit Finale 2007 gemeinsam in einem sogenannten „verknüpften“ Finale-Dokument gespeichert. An anderer Stelle hier im Blog wird diese Programmfunktion grundlegend besprochen. Der vordergründige Nutzen der verknüpften Auszüge liegt darin, daß sich Änderungen in der Partitur automatisch in den Auszügen spiegeln und man spätere Korrekturen auch nach dem Erstellen von Stimmenauszügen nur einmal und nicht zweimal vornehmen muß.

Der einzige Einwand gegen die sehr praxisorientiert durchdachte Funktion der verknüpften Auszüge, den man zuweilen hört, ist dieser: „Es gibt manchmal Dinge, die ich in Partitur und Auszügen unterschiedlich gestalten möchte, die ich aber nur in der einen oder anderen Weise festlegen kann.“ Das ist wohl wahr. Zwar lassen sich enorm viele Details bei Bedarf in Partitur und Auszügen auch unterschiedlich darstellen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Man kann etwa Stichnoten nur in den Auszügen anzeigen lassen, während sie in der Partitur nicht erscheinen. Den allermeisten in der Praxis vorkommenden Bedürfnissen in dieser Richtung wird Rechnung getragen, und sie lassen sich in einem verknüpften Dokument auch ohne weiteres realisieren.

Daneben existieren aber auch die besagten Ausnahmen, bei denen separate Einstellungen in Partitur und Stimmenauszügen nicht mehr möglich sind. Ich selbst habe zum Beispiel recht hohe Ansprüche an das optische Erscheinungsbild meiner Verlagsnoten und stelle darum sämtliche Liniendicken (Notenlinien, Taktstriche usw.) in der Partitur gerne ein klein wenig dicker ein als in den Auszügen, weil die Notation auf einer Partiturseite manchmal so stark verkleinert werden muß (damit alle Orchesterinstrumente auf eine Seite passen), daß die Linien dann im Verlagsdruck etwas ‚fadenscheinig‘ werden. Für dieses Anliegen gibt es in der Tat keine geteilte Einstellmöglichkeit innerhalb eines verknüpften Dokuments: Die Dicke von Notenlinien z. B. läßt sich unter Dokument > Dokument-Optionen > Linien und Kurven > Notenlinien nur einmal angeben, was sich dann Partitur und Auszüge gleichermaßen auswirkt.

Was also dann tun? Es führt kein Weg umhin, die Partitur als separate Datei von den Auszügen abzukoppeln. Hierzu verwendet man aber – und das ist der entscheidende Punkt – besser nicht den Befehl Datei > Stimmen herausschreiben. Dieser Befehl existiert lediglich, weil es ihn vor Einführung der verknüpften Auszüge einmal gab. Ein grundlegendes Prinzip bei der Weiterentwicklung des Programms ist es, daß alte Funktionen, wenn möglich, weiter existieren, auch wenn es inzwischen neuere und zweifellos bessere Methoden gibt. Mit dem Befehl Stimmen herausschreiben, der von vielen Finale-Anwendern (primär aus Gewohnheit) weiterhin benutzt wird, legt Finale von jedem Stimmenauszug ein separates Dateidokument an. Das können dann bei einer größeren Partitur schon einmal schnell dreißig einzelne Stimmendokumente werden, plus dem Mutterdokument, das man weiterhin als Partitur verwendet.

Muß man das? Die Antwort ist ganz klar: Nein. Es reicht völlig aus (und hat viele Vorteile), das verknüpfte Dokument unter einem neuen Dateinamen ein zweites Mal zu speichern. Das geht einfach über den Befehl Datei > Speichern als. Hieraus resultieren zwei Dateidokumente: eines für die Partitur und ein anderes für alle Stimmenauszüge. Denn es geht ja gar nicht darum, alle Auszüge auch untereinander zu trennen, sondern nur darum, die Auszüge von der Partitur zu trennen, um in diesen beiden Bereichen eine völlige Unabhängigkeit zu erlangen.

Werden in einem solchen Fall die verknüpften Auszüge sinnlos? – Mitnichten! Erstens hat die Verknüpfung ja bis zum Abkoppeln – also über die meiste Arbeitszeit hinweg – bestanden. Vor allem aber – und hierin liegt der oft übersehene Hauptnutzen der verknüpften Auszüge – können Sie weiterhin alle Auszüge gemeinsam bearbeiten. Beispielsweise lassen sich sämtliche Layoutbefehle auf alle Auszüge gemeinsam anwenden. Alles, was global geändert werden muß, läßt sich also weiterhin in allen Auszügen gemeinsam regeln. Mir ist es durchaus schon passiert, daß ich nach Fertigstellung eines Blasorchesterstücks vom Verlag die Erweiterung der Titelzeile oder dergleichen mitgeteilt bekomme. Es ist dann nicht so dramatisch, diese Änderung zweimal (Partiturdokument/Auszugsdokument) durchzuführen. Schlimm fände ich es nur, alle ca. fünfunddreißig Auszüge einzeln verändern zu müssen.

Fazit: Es gibt kaum einen vernünftigen Grund, den alten Befehl Datei > Stimmen herausschreiben überhaupt noch zu verwenden – auch nicht in dem Ausnahmefall, daß die Partitur von den Auszügen getrennt werden soll. Der ‚goldene Mittelweg’ ist hier der vorteilhaftere: Weder muß man unbedingt eine Verknüpfung zwischen Partitur und Dokument aufrechterhalten, noch ist man gezwungen, die großen Vorteile eines verknüpften Dokuments ganz über Bord zu werfen.

Porträt Stefan Schwalgin

Dr. Stefan Schwalgin

Stefan Schwalgin ist als freischaffender Arrangeur, Komponist und Buchautor tätig. Seine Werke für Blasorchester publiziert Stefan Schwalgin bei den international renommierten Verlagsgruppen De Haske und Musikverlag RUNDEL.