Robert Piéchaud und November 2
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Der Pariser Robert Piéchaud ist wahrlich ein Renaissance-Mensch. Bei seinen vielen und unterschiedlichen Interessen ist er Komponist, Künstler und ein langjähriger Finale-Software-Entwickler, der die Wiedergabestilistik, FinaleScript, die Funktion „Dokumente verbinden“, das Plug-In Medieval und mehr erstellt hat. Ein richtiges Interview im Finale-Blog ist sicherlich schon lange überfällig.
Kürzlich hat sich Roberts Aufmerksamkeit wieder der Gestaltung von Musikzeichensätzen zugewandt, und er hat eine verbesserte und stark erweiterte Version seines schönen Zeichensatzes November veröffentlicht: November 2. Wir werden unsere Konversation deshalb auf das Thema Zeichensätze beschränken.
Scott Yoho: Kannst Du uns etwas zum Entstehen des Musikzeichensatzes November sagen?
Robert Piéchaud: November reicht zurück bis zum November 1998. Ich hatte entschieden, für einige Monate nach London zu gehen, um mit einem Notensetzer namens Paul Ewers zu arbeiten. Neben dem Notensatz habe ich etwas entdeckt, das mein Interesse noch mehr erregt hat: das Gestalten von Musikzeichensätzen. So habe ich vom Notensatz zur Zeichensatzgestaltung gewechselt – für Paul Ewers war das in Ordnung – und habe begonnen, Partituren zu lesen und einzuscannen, so dass ich die Glyphen vergrößern und untersuchen konnte. Ich habe sie bis zum fünfzigfachen ihrer normalen Größe gedruckt. Ich habe den ganzen Tag mit Glyphen gespielt!
Zunächst habe ich vorhandene Zeichen gescannt und in Vektoren – mathematische Kurven – überführt, denn nichts anderes sind digitale Zeichensätze. Zeichensätze wurden früher aus Pixeln – oder Punkten – erstellt. Als aber die Computer leistungsfähiger wurden, konnte man Glyphen mit Hilfe von Punkten und perfekten Kurven definieren, die durch diese Punkte führen. Und diese Kurven erzeugen den Zeichensatz. Nachem man sich einmal von den Pixeln freigemacht hat, kann man mit den Kurven ziemlich weit gehen. Sie können sich wirklich in eine Glyphe vertiefen, es ist faszinierend. Dann habe ich nach und nach die Kurven manipuliert und begonnen, einen Zeichensatz zu entwerfen: November.
SY: Hast Du damals das Gefühl gehabt, es gibt einen Bedarf für einen neuen Musikzeichensatz?
RP: Man könnte wohl sagen, ich war mit den anderen Zeichensätzen, die ich kannte, nicht zufrieden. Außer den Standard-Zeichensätzen war auf dem Markt nicht viel verfügbar. Ich hatte das Gefühl, das Bild dieser Zeichensätze war nicht lebendig genug. Sie waren kälter als das, was ich persönlich als Musiker wollte. Ich habe mir vorgestellt, dass ein Zeichensatz menschlich sein könnte. Etwas, das wirklich graviert wurde, mit einem Stichel herausgearbeitet, so wie man das vor der Computernotation gemacht hat. Ich wollte die Tinte „fühlen“.
So habe ich versucht, die mikroskopischen Unregelmäßigkeiten der damaligen Noten zu reproduzieren. Eine große Quelle der Inspiration war die Universal Edition Wien an der Wende zum 20. Jahrhundert, als sie begannen, die Komponisten der Wiener Schule zu verlegen. Diesen Stil findet man auch in Partituren von Boosey & Hawkes aus dieser Zeite, vielleicht etwas später. Ich finde diese Partituren sehr elegant, man möchte daraus spielen. Und darum geht es bei einem Zeichensatz – dem Musiker das Bedürfnis zu vermitteln, zu musizieren. Es funktioniert ganz ähnlich wie bei Büchern: ein schön gemachtes, gut gebundenes und auf gutem Papier gedrucktes Buch – so ein Buch möchte man nehmen und lesen!
SY: Es ist sicherlich ein schöner Zeichensatz. Was hat die neue Version inspiriert, die gerade veröffentlicht wurde?
RP: Es mussten so viele neue Zeichen hinzugefügt werden! November 2 enthält mehr als 1000 Symbole, im Vergleich zu den vorherigen 330. Und schließlich haben sich Zeichensatzstandards seit 1998 geändert. Wir haben früher verschiedene Versionen für Macintosh und Windows benötigt, und es gab verschiedene Formate. Musikzeichensätze waren auch auf etwas mehr als 200 Zeichen beschränkt … es war etwas unübersichtlich. Nun können alle Zeichensätze im OpenType-Format (OTF) und Unicode veröffentlicht werden. Und außerdem bin ich jetzt in Kontakt mit der SMuFL-Gruppe.
SY: Wir sollten vielleicht etwas Hintergrundinformationen zu SMuFL geben.
RP: Tatsächlich! SMuFL steht für Standard Music Font Layout [standardisierte Musikzeichensatzbelegung]. Es ist die Zukunft des Musikzeichensatz-Designs. Es ist im Prinzip eine Untermenge von Unicode für musikalische Zeichen, ein neuer Versuch, den idealen Musikzeichenvorrat zu definieren.
SY: Und SMuFL erweitert die Anzahl der bisher in einem Musikzeichensatz verfügbaren Zeichen stark?
RP: Ja. SMuFL hat das Potential, den Zugriff auf Tausende von verschiedenen Zeichen zu bieten. Das Projekt wurde 2013 gestartet und ist nun dank der Arbeit von Daniel Spreadbury und vieler anderer, die weltweit hart daran gearbeitet haben, ausgereift. Das Ziel besteht darin, die größte musikalische Vielfalt abzudecken und jedem Zeichen eine individuelle Unicode-Position zuzuweisen. All die Zeichen, die man für die Notation der Musik vom Mittelalter bis zur Avant-Garde – und allen Epochen dazwischen – benötigt: es ist alles vorhanden, oder beinahe.
SY: Wie viele Zeichen werden das sein, wenn alles fertig ist?
RP: Der Kern von SMuFL liegt bei etwa 2400. Und es gibt Platz für Alternativen, unterschiedliche Stile und Formen und sogar für neue Zeichen. Damit ein Zeichensatz konform zu SMuFL ist, müssen nicht alle 2400 Zeichen enthalten sein, allerdings gilt: je mehr, desto besser. Es hängt davon ab, welche Art Musik durch den Zeichensatz dargestellt werden soll. Für die heutigen Zeichensatzdesigner ist SMuFL eine großartige Inspirationsquelle, aber es ist auch schwierig, die optimale Umsetzung zu finden. November z. B. umfasst mit mehr als 1000 Zeichen einen weiten Bereich der Musik von der frühen Renaissance bis zur heutigen Zeit, was wirklich viel ist. Viele der Zeichen sind in SMuFL enthalten, einige gibt es nur in November, und andere für komplexere Notation alter Gesänge sind weniger präsent, denn diese werden mit Medieval 2.0, einem anderen meiner Projekte, abgedeckt. Neben der Zeichentabelle spezifiziert SMuFL auch einige wichtige „Metadaten“, wie den Ansatzpunkt des Halses an einem Notenkopf usw. Ingesamt ist November 2 vollständig konform zu SMuFL, und es ist damit der erste kommerzielle Zeichensatz, der es ist.
SY: Kannst Du beschreiben, wie November mit Finale verwendet werden kann?
RP: Das Paket von November 2 enthält die Zeichensatzdateien, Zusatzdateien (Bibliotheken, Dokumentstile usw.) und die Dokumentation. Es ist kompatibel mit Finale, aber auch Sibelius und LilyPond. Es ist wahr, dass die Verwendung des Zeichensatzes mit Finale am einfachsten ist, denn seit Version 2012 enthält Finale eine umfassende Unterstützung von Unicode. Mit Finale 2014 hat sich die Kompatibilität sogar nochmal verbessert. Der ursprüngliche Zeichenvorrat (an den Positionen 32 bis 255) ist bei November identisch mit Finales Zeichensätzen – das ist die einzigartige hybride Struktur von November 2. Und mit dem November-Paket werden sogar ältere Versionen von Finale unterstützt, zurück bis 2001! Kurz gesagt, es ist ganz einfach in Finale vom üblichen Maestro- oder Petrucci-Zeichensatz zu November 2 zu wechseln.
Wenn Sie mehr über November 2 erfahren möchten, können Sie eine umfangreiche PDF-Beschreibung herunterladen oder den Zeichensatz hier kaufen.
Ich möchte Robert dafür danken, dass er uns seine Ansichten und Bilder von November 2 übermittelt hat, und ich habe ihn zu einem richtigen Interview über seine Musik und seine lange Beziehung zu Finale eingeladen.