Spotlight auf „La La Land“-Komponist Justin Hurwitz

Ein Interview mit dem Komponisten Justin Hurwitz, der die oscarprämierte Musik zum Film "La La Land" mit Finale komponiert hat.
„La La Land“-Komponist Justin Hurwitz
„La La Land“-Komponist Justin Hurwitz (Foto: Dale Robinette/Lionsgate)

Justin Hurwitz wurde bereits 2015 im (englischsprachigen) Finale-Blog interviewt. Damals sprach er über über seine Erfahrungen als Komponist für Damien Chazelles preisgekrönten Film „Whiplash“, über seinen Hintergrund, seine Verwendung von Finale und seinen Arbeitsablauf. Am Ende des Interviews erwähnte Justin, dass sein nächstes Projekt eine weitere Zusammenarbeit mit Damien bei einem Musical mit dem Titel „La La Land“ sei.

Ich vermute, viele haben daran gezweifelt, dass ein Sing- und Tanz-Musical als Folgeprojekt zu „Whiplash“ zu einem Kassenerfolg werden könne. Dankenswerter Weise hatten alle unrecht.

Kürzlich gestartet, hat La La Land bereits den Critic’s Choice Movie Award für den besten Film gewonnen, wurde unter den besten 10 Filmen 2016 des American Film Institutes aufgeführt und hat die Golden Globes mit einmaligen sieben Siegen abgeräumt, einschließlich bester Film, bestes Drehbuch, beste Filmmusik und bester Song.

Ich liebe diesen Film und war begeistert, als Justin zugestimmt hat, noch einmal mit uns zu sprechen.

Wann haben Damien und du euch „La La Land“ ausgedacht? Was ist von euren ursprünglichen Ideen übrig geblieben?

Im College haben Damien und ich ein Low-Budget-Filmmusical mit Namen „Guy and Madeline on a Park Bench“ gemacht. Wir haben es 2009 und 2010 auf einigen kleinen Festivals gezeigt, und einige der Leute, die es gesehen haben, haben uns ermuntert, ein weiteres Musical zu machen – etwas größeres und besseres.

Damien fragte mich 2010, ob ich weiteres Musical machen möchte. Ich habe Ja gesagt, und er begann Anfang 2011 die Geschichte zu schreiben. Gleich als er anfing, an der Handlung zu arbeiten, habe ich damit begonnen, die Musik zu komponieren.

Von Beginn an besaß Damiens Geschichte die wichtigen Elemente, die nun im Film sind: Es spielt in L. A. Es ist eine Liebesgeschichte zwischen einer angehenden Schauspielerin und einem Jazz-Pianisten. Es beginnt mit einer musikalischen Nummer auf einer verstopften Autobahn. Es gab einen schwerelosen Tanz im Planetarium. Und es endet mit einer Fantasie-Ballett-Sequenz.

Das Skript wurde im Laufe der fünf Jahre bis zur Produktion oftmals überarbeitet, wie auch die Musik. Aber die wichtigen Momente des Films gab es bereits in Damiens erster Fassung.

Du hat zuvor deinen anfänglichen Workflow bei „Whiplash“ beschrieben, bei dem du Damien MP3-Dateien von Klavierdemos per E-Mail geschickt hast. War das Vorgehen dieses Mal ähnlich?

Ja, der Beginn des Ablaufs war derselbe. Ich habe am Klavier gesessen, Ideen ausgearbeitet und eine unsagbare Menge an Klavierdemos versendet, bis wir gespürt haben, dass wir die richtigen Melodien haben. Im Unterschied zu „Whiplash“, wo ich nie eine DAW verwendet hatte, musste ich mir für „La La Land“ den Umgang mit Logic aneignen.

Für die großen Produktionsnummern, für die wir die Wiedergabe am Set benötigten, brauchten wir gute, realistische Demos. Ich habe diese Songs in Finale orchestriert und dann die MIDI-Stimmen in Logic übernommen.

Genau genommen habe ich erst orchestriert bevor ich die Demos erstellt habe, dann ich wollte die Demos nicht nur als Skizzen. Ich wollte, dass diese so viele Details und Nuancen wie möglich enthielten. Deshalb wollte ich sie zuerst aufschreiben, um dann aus diesen Orchestrierungen die Demos zu erstellen. Während der Vorproduktion haben der ausführende Musikproduzent und sein Team dabei geholfen, aus der Orchestrierung die Demos zu erstellen.

Als es daran ging, die Partitur für die Post-Produktion zu erstellen, war ich mit Logic auf mich allein gestellt. Ich habe etwa acht Monate lang während des Filmschnitts mit Damien, dem Edel-Techniker Pierre Littbarski und dem Bild-Editor Tom Cross in den Schnittstudios daran gearbeitet. Sie wollten nicht zu vorläufiger Musik schneiden. Deshalb saß ich im Büro neben dem Schnittraum, während sie mir zu vertonende Szenen hereingereicht haben. Wo immer möglich, habe ich versucht, zunächst die Orchestrierung zu erstellen, bevor ich das Musikdemo zur Szene erzeugt habe, aber es gab viele Tage, an denen Sie eine Szene schnell benötigten, so dass ich gezwungen war, direkt in Logic zu schreiben. Ich bin dann später zurückgekehrt, um die richtige Orchestrierung vorzunehmen, was vermutlich der übliche Auflauf der Dinge ist.

Wie ist die unglaubliche Produktionsnummer „Another Day of Sun“ entstanden?

Wie bereits gesagt, enthält bereits der erste Entwurf von Damien die Eröffnungsnummer auf der Autobahn. Es gab bereits 2011 ein Demo, bevor wir das Projekt zur Seite gelegt und „Whiplash“ gemacht haben. Als wir uns 2014 wieder „La La Land“ zuwandten, dachten Damien und ich, dass wir es besser können. Deshalb haben wir den Song neu begonnen.

Ich habe nach Damiens Beschreibung komponiert, die er ins Script geschrieben hatte: ein Song, gesungen von zwei Träumern, die nach L. A. gekommen sind, um Schauspieler, Autor oder Sänger zu werden, die optimistisch bezüglich ihrer Chancen sind, aber auch schon zu viele Niederlagen erlebt haben. Es war eine emotional komplexe Idee, die zwischen Freude und Schmerz balanciert. Diesen Song zu komponieren, hat länger gedauert als die meisten anderen.

Wie war deine Zusammenarbeit mit Pasek und Paul (Texter Benj Pasek und Justin Paul)?

Nach der Erfindung der grundlegenden Melodien gingen weitere Klavier-Demos mit Damien hin und her, um die Struktur des Songs festzulegen. Was ist die Strophe, was ist der Refrain? Gibt es einen Zwischenteil? Sobald wir das Gefühl hatten, dass ein solides Klavier-Demo des Songs vorhanden ist, habe ich das Demo an Pasek und Paul weitergegeben, die dazu brilliante Texte geschrieben haben.

Ich habe mich immer wieder gewundert, was sie aus einer gegebenen Melodie mit einer endlichen Nummer von Silben an Geschichte und Emotion transportieren können. Es gab mehrere Fälle, bei denen ich sie gefragt habe, ob es für einen bestimmten Teil des Songs nicht einfacher für sie wäre, wenn sie erst die Worte schreiben und ich diese umsetze. Aber sie wollten, dass ich die Melodien zuerst schreibe; sie lieben diese Herausforderung.

Einige Texte, insbesondere von „Another Day of Sun“, wurden mehrmals überarbeitet und jedes Mal kamen Sie mit einem komplett neuen Text, der perfekt auf die Melodie passte. Es war unglaublich. Sie haben ein solches Talent für Sprache.

„Mia and Sebastian’s Theme“ ist wichtig für den Film. Hier gibt es keinen Druck. Wie ist dieses Stück entstanden? Und wurde es oftmals überarbeitet?

Wie für das meiste Material in dem Film habe ich auch hierfür lange am Klavier gesessen und viele Piano-Demos erstellt. Bei diesem spziellen Theme mochten Damien und ich die Fassung 16. Wir dachen, wir hätten es, aber nach einer Woche oder so haben wir entschieden, dass es noch besser geht. Ich ging zurück an die Arbeit bis zur Fassung 31, die Damien total begeisterte. Es war und beiden klar, dass Fassung 31 die richtige ist.

Die ersten paar Phrasen waren in der frühen Version von #31 gut, aber von da aus hat es sich nicht richtig entwickelt, so dass ich die Fortentwicklung noch verändert habe. Eine spätere, bessere ausgearbeitet Version von #31 wurde das endgültige Demo, und wir wussten, dass es das ist. Das war bereits 2011 und das Theme wurde danach nicht mehr geändert.

Gibt es Aspekte in Sebastians Leben, die auf deinen Erfahrungen beruhen?

Damien brachte 2011 die Filmproduzenten Fred und Jordan in meine Wohnung, um mich kennenzulernen. Fred und Jordan waren von der Tatsache beeindruckt, dass ich keine Möbel besaß – nur ein Bett und ein Klavier. Damien hat das ins Skript eingebaut und Sebastians Wohnung genauso streng gemacht.

Als wir 2015 den Film vorbereitet haben, kamen Produktionsdesigner, Bühnenbildner und Kostümbildner ebenfalls zu mir, um selber zu sehen, wie ich lebe (zu diesem Zeitpunkt habe ich ein paar Möbel mehr besessen als 2011, aber nicht viele). Sie wollten Sebastians Wohnung meiner nachempfinden. Aber als Ryan mitbekam, was sie über seinen Charakter denken, hat er dem widersprochen, denn er hatte das Gefühlt, dass der Charakter als zu traurig empfunden wird.

So wurde Sebastians Wohnung etwas weniger karg, und ich habe in den letzten Jahren weitere Möbel gekauft, damit Ryan Gosling nicht denkt, ich sei mitleiderregend.

Hast du einen musikalischen Lieblingsmoment in den Film – oder etwas, worauf du besonders Stolz bist?

Ich bin besonders Stolz auf den Song „Audition (The Fools Who Dream)“. Ich bin stolz auf die Komposition und die Orchestrierung, und was Emma bei ihrer Live-Performance am Set an ungefilterter Emotion dazugebracht hat, ist unglaublich. „City of Stars“ ist ein weiterer meiner Lieblingssongs. Ich bin auch stolz auf viele meiner Orchesterstücke. „Bogard & Bergmann“ sowie „You Love Jazz Now“ (welche auf dem Soundtrack-Album zum Film zu finden sind) sind zwei meiner Lieblinge.

Kannst du etwas darüber sagen, wann du versucht hast, verschiedene Epochen heraufzubeschwören, und wann du eher ein zeitloses Gefühl erzielen wolltest?

Abgesehen von den Stücken für Jazz Combo, die altmodisch klingen sollen (1930er bis 1950er), ist „A Lovely Night“ der einzige Song, der absichtlich altmodisch ist. Ich haben das Big-Band-Blech auf ziemlich traditionelle Weise dazu verwendet, den Gesang und andere Orchersterteile zu unterbrechen. Während des Tanzteils wird das Arrangement etwas exzentrischer, aber im Song habe ich versucht, einen Hauch von Astaire/Rogers zu vermitteln.

Die anderen Songs klingen hoffentlich nicht so, als stammten sie aus einer bestimmten Epoche. Der Walking Bass und die Swing Drums in „Another Day of Sun“ und „Someone in the Crowd“ sind in der Art, wie sie Michel Legrand in seinen Musicals aus den 60ern gemacht hat, aber was im Orchester passiert sind hoffentlich neue Texturen und Farben, die man so noch nicht gehört hat. Diese beiden Songs sollen einfach nur Spaß machen, ich habe sie mit vielen Gegenmelodien und Kontrapunkt angereichert.

„Audition (The Fools Who Dream)“ habe ich üppig und romantisch orchestriert, voller mehrfach geteilter und texturierter Streicherstimmen mit vielen Vorhalten und Mittelstimmen. In diesem Song gibt es auch impressionistischere Teile mit Trillern in den Holzblässern und summenden gedämpften Trompeten.

Bei der Hintergrundmusik ging es mir vor allem darum, emotional passende Teile zu erstellen. Wo es passte, habe ich sie auch farbiger und skurriller gestaltet, mit kleinen Dingen wie Holzbläser-Trillern, Gegenstimmen, tonaler Perkussion und seltsam verknüpften Stimmen verschiedener Instrumente.

Schauen Sie sich dieses Feature zur Musik an, in dem Sie das 90köpfige Orchester (mit Chor) bei der Live-Einspielung sehen können:

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Welche Erkenntnisse zur Komposition und Orchestrierung hast du im Lauf der Jahre gewonnen?

Weniger ist manchmal mehr. Manchmal habe ich meine Musik zu voll gepackt, um mehr Musik zu schreiben oder clever zu erscheinen, anstatt sie einfach atmen zu lassen.

Kannst du uns etwas zur Rolle von Mark Graham sagen, und dazu, welche Interaktion mit diesem Team stattgefunden hat?

Mark Graham leitete das Team der Notensetzer. Ich habe all meine Finale-Dateien für sie in einen Dropbox-Ordner gepackt, und sie haben aus diesen Dateien die Stimmenauszüge erstellt und formatiert. Bei manchen der weiteren Teile haben sie die Partitur etwas anders formatiert, so dass diese besser auf die Seite passte und besser aussah. Zu Beginn der Arbeit hatte ich etwas Sorgen mit Mark wegen Dingen wie der Verwendung von punktierten Vierteln anstelle von Vierteln mit angebundenen Achteln, aber ich habe mir das Programm noch einmal vorgenommen und die entsprechenden Änderungen vorgenommen. Es ist wichtig zu erfahren, was die Musiker am besten lesen können.

Bevor wir begonnen haben, hat er auch gefragt, ob Partitur und Stimmenauszüge ohne Tonartvorzeichen sein könnten (ich hatte keine Ahnung, dass dies bei Filmpartituren üblich ist), aber daran konnte ich mich nicht gewöhnen, denn ich habe Musik nie ohne Tonartvorzeichen gelesen, und es wäre zu verwirrend gewesen, meine eigene Musik so zu kontrollieren. Wir haben uns dann auf transponierende Partituren und Stimmenauszüge mit Tonartvorzeichen geeinigt.

Bei den Aufnahmen hat Mark neben mir gesessen und war unglaublich hilfreich. Er hat ein tolles Gehör und hat einige Schreibfehler entdeckt. Joe Zimmerman saß im Raum mit den Musikern und war ebenfalls eine große Hilfe, indem er alles organisiert hat.

Was war deine Rolle bei den Aufnahmen? Hattest du zuvor schon mit Tim Davies gearbeitet?

Ich hatte noch nicht mit Tim Davies gearbeitet. Er ist toll. Tim hat dirigiert, während ich mit Damien im Studio saß. Damien hat mir seine Gedanken mitgeteilt, worauf ich dann Anweisungen entweder direkt an Tim oder manchmal auch an das gesamte Orchester gab. Manchmal wollte ich eine Stimmführung ändern und musste raus ans Klavier rennen, um etwas auszuprobieren. Schräge Akkorde muss ich manchmal am Klavier hören, um genau zu wissen, wie es sein soll.

Welchen Einfluss hast du auf ein Songbook? Wer wird es veröffentlichen?

Ich habe gerade vor ein paar Tagen einen Entwurf durchgesehen. Es wird bei Hal Leonard erscheinen. Sie haben gute Arbeit geleistet, nicht nur bei der Transkription dichter Musik sondern auch mit klugen musikalischen Entscheidungen. Ich hatte ein paar spezielle Anmerkungen – zur Positionierung von Akkordsymbolen, wie die Walking-Bass-Linien etwas klavierfreundlicher gestaltet werden können, und ich habe darauf geachtet, dass dort, wo sie entschieden haben, Gegenstimmen in der Klavierpart aufzunehmen, sich diese auch korrekt auflösen und nicht irgendwo verenden. Ich denke, sie haben tolle Arbeit geleistet und es wird Spaß machen, aus dem Songbook zu spielen.

Künstler hoffen immer, dass ihr neuestes Projekt ein großer Erfolg sein wird. Im Film gibt es Szenen, in denen diese Hoffnung sowohl erfüllt als auch nicht erfüllt wird. Wann ist dir bewußt geworden, dass „La La Land“ zu den ersteren gehört?

Wir haben den Film Ende August und Anfang September zunächst dem Publikum von Filmfestivals gezeigt. Das Publikum war ihm zugetan, was eine große Erleichterung und sehr erfüllend war. Denn bevor ein echtes Publikum den fertiggestellten Film sieht, kann man es nicht wissen.

Ich dachte, ich beende mein Interview mit Justin wie beim letzten Mal mit der Frage, was als nächstes kommt. Er antwortete, dass er das noch nicht wisse. Ich vermute, er hat mehrere Optionen zur Auswahl. Ich bin sehr gespannt zu hören, was er wählt.

Scott Yoho