Spotlight auf Orchestrator und Dirigent David Shipps
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David Shipps ist Orchestrator, Dirigent und Arrangeur in Nashville. Zu seiner Arbeit gehören Album-Projekte, Live-Events, Videospiele, Film, Fernsehen, Rasenmähen und mehr. Ich habe mit David über seinen Hintergrund, das Arbeiten in Nashville, seine Arbeitsabläufe beim Orchestrieren und anderes gesprochen.
Ab wann hattest du den Eindruck, dass du das Musikmachen als Beruf ergreifen könntest?
An den genauen Moment erinnere ich mich nicht, aber die Musik war ein wichtiger Teil meines Lebens seit ich im Kindergarten mit dem Klavier begonnen habe. Später in der High School, mit all den Musikstunden, Bandproben und der Zeit, die ich mit dem Schreiben von Musik in meinem Zimmer verbrachte, wurde es klar, dass es das ist, was ich in meinem Leben tun wollte.
Meine Mutter erzählt immer noch die Geschichte, wie ich gesagt habe: „Natürlich ist es möglich, als normaler Mensch mit Familie und Nachbarn, der den Rasen mäht und seine Kinder zur Schule bringt, seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Musik zu verdienen.“ Ich denke, das hat es auf den Punkt gebracht, auch die Sache mit dem Rasenmähen.
Welchen Einfluss haben Mentoren oder Vorbilder auf die Wahl deiner Laufbahn gehabt?
Nun, als Kind wollte ich John Williams sein. Wenn wir ehrlich sind, haben die meisten von uns immer noch diesen Traum! Wenn ich all meine Dirigenten, Privatlehrer und Kirchenmusikleiter zusammennehme, habe ich zu viele Vorbilder, um sie alle aufzuzählen. Aber ich denke, das zeigt, dass oftmals der kumulierte Effekt all dieser Leute in der Entwicklung eines jungen Menschen eine Rolle spielt. Und es wäre nachlässig zu verschweigen, dass meine Eltern mich zum Klavier gebracht haben, als ich noch in die Grundschule ging. Ich kann ihnen nicht genug dafür danken.
Denjenigen, die außerhalb von Tennessee leben, erscheint Nashville nicht gerade als erste Adresse, wenn sie an Musik für Film oder Computerspiele, Orchestration und Notensatz denken. Was hat dich hierher gebracht?
Ich bin ursprünglich nach Nashville gekommen, um einen Platz als Arrangeur im Bereich der christlichen Musikverlage zu finden, denn die meisten dieser Verlage haben ihren Sitz in Nashville. In den ersten 10-15 Jahren haben mir diese Arbeiten erlaubt, meine Fähigkeiten als Arrangeuer und insbesondere Orchestrator zu verbessern. Ich habe mehr als 350 Werke für verschiedene Genres, Ensembles und Zwecke arrangiert.
Kannst du einige der Vorteile beschreiben, die du als Teil der Szene in Nashville erfahren hast?
Zunächst einmal – Nashville liegt im Süden. Das heißt, die Leute hier sind ziemlich bodenständig, nett zu Fremden und relativ entspannt. Das gilt auch für viele der Musiker, die ich kenne. Diese Freundlichkeit hat mir erste Gelegenheiten verschafft, bei Aufnahmesitzungen dabei zu sein. Und der Teamgeist der Musiker hat zu positivem Feedback oder auch konstruktiver Kritik an meinen Arrangements geführt – für einen jungen Arrangeur ist das sehr hilfreich.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
Ehrlich gesagt – ich bin nicht wie die meisten anderen Musiker, die ich kenne. Ich trinke keinen Kaffee, ich arbeite normalerweise nicht spät in der Nacht und bin nicht der „Künstler“. Eine Routine von 8-17 Uhr, Montags bis Freitags, funktioniert bei mir am besten.
Vor diesem Hintergrund gibt es für mich zwei Arten von Tagen – Orchestrieren (ich nenne es einfach Schreiben) und Dirigieren. An Dirigiertagen verlasse ich morgens das Haus und komme abends wieder, denn die Ocean Way Studios (in denen ich normalerweise dirigiere) sind etwa 45 Minuten entfernt. Normalerweise dauern solche Aufnahmen den ganzen Tag, so dass an diesen Tage nicht viel Schreibarbeit erledigt wird.
Wenn ich schreibe, teile ich den Tag üblicherweise in zwei Teile – morgens (vor dem Essen) und nachmittags (nach dem Essen). Du siehst, das Mittagessen ist ein wichtiger Bestandteil meines Tages! Wenn ich einen engen Abgabetermin habe, arbeite ich hart daran, möglichst viel vor dem Mittag zu erledigen. Denn wenn du zuhause arbeitest, kann es nachmittags Ablenkungen geben. Und ehrlich gesagt, wenn es draußen schön ist und meine beiden Jungs mit den Hausaufgaben fertig sind, ist es sehr verlockend, die Arbeit früh liegen zu lassen.
Kannst du einen typischen Arbeitsablauf beim Orchestrieren beschreiben?
Ich mache zwei Arten der Orchestrierung. Das erste nenne ich „Nashville-Orchestrierung“ – ein Kunde schickt mir einen groben Mix der Rhythmusspur (vielleicht auch mit Gesang) und bittet mich, den Song zu orchestrieren. In diesem Fall ist die Partitur zunächst ein leeres Blatt und ich erstelle alles von Beginn an. Ich muss also Zeit darauf verwenden, eine Entscheidung über die musikalische Richtung zu treffen, in die es gehen soll – was normalerweise dazu führt, dass ich mir andere Musik als kreativen Ansporn anhöre. Dann geht es los und ich schreibe den Chart. (In Nashville ist alles ein „Chart“.)
Die andere Art der Orchestrierung, die ich durchführe, fällt mehr in die traditionelle Rolle eines Orchestrators – mit dem Material eines Komponisten arbeiten und in allen Details aufschreiben. In diesem Fällen strenge ich mich sehr an, „mich in den Kopf des Komponisten zu versetzen“, indem ich die Audiodaten, die ich erhalten habe genau anhöre und auch auf Details der MIDI-Dateien achte. Nachdem ich das Stück als Ganzes gehört habe, beginne ich, dieses „auseinander zu nehmen“ und mich durch die Familien (normalerweise zuerst die Streicher) zu arbeiten, bis das ganze Stück fertig gestellt ist. Ich höre immer wieder die Audiodateien an und ziehe die MIDI-Dateien heran, um wirklich die Intentionen des Komponisten zu erfassen.
Wenn ich meine Arbeit gut gemacht habe, erweckt das Orchester all das zum Leben, was sich der Komponist vorgestellt hat, und vielleicht sogar mehr. Ich sage oft, dass „es mein Job ist, den Komponisten als Genie dastehen zu lassen“.
Auf deiner Internetseite wirst du als aktiver Orchestrator, Dirigent und Arrangeur beschrieben; und ich weiß, dass du auch Komponist bist. Gibt es bestimmte Aufgaben, die du am liebsten magst?
An diesem Punkt in meiner Karriere verbringe ich die meiste Zeit als Orchestrator und Dirigent. Ich habe immer noch Kunden, für die ich arrangiere, aber diese Anrufe erfolgen seltener und typischerweise für kleinere Projekte. Ich habe im Lauf der Zeit bemerkt, dass meine Begabungen beim Orchestrieren und Dirigieren liegen. Mit meiner Persönlichkeit bin ich besser darin, Material zu verbessern, das bereits existiert. Das grundlegende Erarbeiten einer Idee fällt mir oft schwer, und ich finde, dass der Mangel an Beschränkungen meine Kreativität eher einschränkt.
Aber wenn ich mit einem vorhandenen Material beginne, auch wenn es nur eine Skizze ist, beginnt mein Geist ganz natürlich zu erschaffen. Nun, wenn das nicht wie ein Rezept für einen Orchestrator klingt, dann weiß ich nicht, was es sonst täte. Und wenn es ans Dirigieren geht, nun, du kennst mich, du weißt, dass ich eine sehr extrovertierte Seite habe. Auf dem Podest vor 40 Musikern zu stehen, fühlt sich für mich sehr natürlich an. Und wenn ich die letzten zwei Wochen in meinem Büro damit zugebracht habe, jeden Tag auf einen Computerbildschirm zu starren, dann ist es ein wahres Vergnügen, auf dem Podest wieder von Menschen umgeben zu sein.
Kannst du beschreiben, wie es ist, eine Finale-Partitur an einen Kollegen zu übergeben, der die Vorbereitung der Stimmenauszüge für die Aufnahmesitzung übernimmt?
Ich bin heute in der glücklichen Lage, so beschäftigt zu sein, dass ich einen engen Kollegen, Rob Adams, habe, der fast die komplette Arbeit der Stimmenvorbereitung für mich übernimmt. Aber das war nicht immer so, und ich habe viele Jahr meine Stimmenauszüge selbst erstellt. Ich denke, ich habe dadurch eine gute Vorstellung davon, in welchem Zustand sich eine Partitur befinden muss, bevor ich sie für das Erstellen der Auszüge weiterreiche.
Ich habe mir angewöhnt, während des Orchestrierens schon die Partitur zu bearbeiten. Das Justieren von Dynamikgabeln, Dynamikangaben, Vortragsbezeichnungen usw. sind Teil meines Schreibvorgangs, (da ich in klingender Notation schreibe, wird beim Erstellen der transponierenden Stimmen allerdings noch Nacharbeit notwendig werden). Da ich jedem Kunden eine Rohfassung jedes Cues zusende, bearbeite ich die Partitur in der Seitenansicht, passe Takte in Akkoladen ein und justiere alles, was nicht korrekt aussieht. Und wenn ich bei dem Projekt auch dirigiere, ist dies meine Gelegenheit, die Partitur so einzurichten, wie ich sie sehen möchte, wenn ich auf dem Podest stehe.
Nachdem ich die Partitur soweit vorbereitet habe, dass ich sie dem Kunden zur Kontrolle zusenden kann, fasse ich die Partiturdatei normalerweise nicht mehr an (vorausgesetzt es sollen keine Änderungen durchgeführt werden). Rob übernimmt sie an dieser Stelle für das Vorbereiten der Stimmenauszüge. Das nächste Mal sehe ich die Partitur auf dem Podest, und ehrlich gesagt: ich schaue selten in die Stimmen. Ich habe Rob ziemlich gut traniert (denke ich), und über die Jahre hat er sich des Vertrauens würdig erwiesen.
Gehst du die Orchestrierung für einen Film anders an als ein Videospielprojekt?
Kurz gesagt, ja. Allerdings hat die unterschiedliche Vorgehensweise mehr damit zu tun, wie die Musik aufgenommen werden wird. Dies beeinfluss oft meine Entscheidungen als Orchestrator. Ein Film ist meistens vorhersagbarer. Nachdem der Film fertiggestellt ist, wird er jedes Mal so gespielt. Braveheart wird kein anderes Ende haben, wenn du den Film anschaust, als wenn ich ihn ansehe. Das besondere bei Videospielen liegt darin, dass der Benutzer oftmals den Fortgang, die Geschwindigkeit, die Länge und auch das Ende eines Spiels bestimmt. Die Musik muss also so angelegt werden, dass sie auf mehr als einen Erzählstrang passt. Die sich daraus ergebenden Probleme muss primär der Komponist lösen, aber ich versuche, so weit wie möglich dabei zu helfen, indem ich so viele musikalische Varianten aufschreibe wie möglich.
Hier ist ein Beispiel: In dem letzten Spiel Call of Duty: WWII hat Wilbert Roget II eine schöne Passage mit dem Stück geschrieben, das den Titel Home Suite trägt. Er hat es ursprünglich für ein Solo-Streichinstrument mit voller Streicherbegleitung, einigen Synthesizern und Klavier geschrieben. Seine Melodieführung bot sich aber auch für eine Blechbläserchoralbearbeitung an. So habe ich zwei Varianten für Blechbläserchoral geschrieben – eine etwas verhaltene Version mit Horn als Solo-Instrument und eine etwas vollere mit einem Solo-Kornett.
Habe ich mir eine kreative Freiheit erlaubt?
Vermutlich, aber aus gutem Grund: ein Videospiel benötigt eine Menge Musik und ein Komponist kann nicht für jede mögliche Szene neues Material schreiben. Durch meinen Beitrag hat der Musik-Editor das „Home“-Thema in drei verschiedenen Versionen zur Verfügung und kann damit mehr Minuten des Spiels unterlegen, ohne Wil wegen weiterer Musik anzufragen.
Woran arbeitst du im Moment?
2018 war bereits ein geschäftiges Jahr. Ich habe vier Episoden der TV-Show Taken für den Komonisten Trevor Morris orchestriert und arbeite momentan an drei Filmen mit ihm, unter anderem das Projekt “Being Pierre Littbarski”. Ich habe auch die Orchestrierung für zwei Videospiele begonnen (deren Titel ich nicht verraten darf) und einige weitere Projekte dirigiert. Dazwischen gibt es einige kleinere Orchstrierungsprojekte für Verleger hier im Ort sowie die Orchestrierung und das Dirigieren bei den Projekten zweier Künstler.
Vielen Dank an David, dass er sich die Zeit für diese detaillierten und umsichtigen Antworten genommen hat. Genauer gesagt, haben wir einige von Davids tollen Finale-Tipps (und einen Blick auf seinen Arbeitsplatz) für einen weiteren Beitrag aufgehoben. Bleiben Sie dran.